Fit für die Zukunft
dank smarter Roboterschweißtechnik



Schweißautonomie und Vielfalt bei Bauteilen
Unterschiedliche Bauteile in Form, Gewicht und Größe, verschiedene Greif-, Positionierungs- und Ablagemöglichkeiten, die Option, bei einer Komponente zwei verschiedene Schweißverfahren (WIG und MIG/MAG) zum Einsatz zu bringen, sowie der bei zylindrischen Körpern notwendige Einsatz von Formiergas zum Schutz der Bauteile gegen Anlauffarben – all das machte die Konstruktion der Anlage für Ingenieur- und Programmierteams zu einer besonderen Herausforderung.
„Wir suchten einen verlässlichen Partner, der uns bei Präzision und Qualität sehr ähnlich ist. Er sollte uns wirklich zuhören, auf unsere Wünsche eingehen und zukunftsfähige Lösungen vorschlagen. Solche, die uns auf Jahre hinaus Wettbewerbsvorteile verschaffen“, erklärt Daniel Moik, Department Manager Joining Technologies. „Fronius International erfüllte diese Vorstellungen von einer nachhaltigen Partnerschaft. In enger Zusammenarbeit mit unseren Technikern entwickelte das Team der Welding Automation eine Roboterschweißzelle, die unseren Anforderungen in allen Punkten gerecht wird. Obendrein ist man bei Fronius bereit, die Anlage gemeinsam weiterzuentwickeln und auf neue Bedürfnisse abzustimmen.“
Synonym für Effizienz: Fronius Pathfinder
Betroffen sind Anfahrtswege, Brenner-Anstellwinkel, Brenner-Offsets in den Eckbereichen und sämtliche Umorientierungen des Schweißroboters. Überschreitungen der Roboterreichweite, sogenannte Achslimits, werden vom Pathfinder erkannt. Indem die Softwarebedienerinnen und -bediener den Ablageort des Werkstückes korrigieren und es innerhalb der Armlänge des Schweißroboters in Position bringen, werden potenzielle Kollisionen des Brenners mit diversen Bauteilkanten frühzeitig vermieden.

Fehlerquellen werden rechtzeitig erkannt
Sind
Bahnkorrekturen notwendig, können die betroffenen Teach-Punkte bequem per Drag-and-drop
verschoben werden. Soll eine Anfahrt zum Bauteil geändert werden, drücken die Fachkräfte
kurzerhand „Reset“. In der Folge fährt der virtuelle Roboter zum Start einer
neuen Anfahrt in die Home-Position. Im Realbetrieb müsste man den Roboter zeitaufwendig
freifahren, mittels Robotersteuerung in die Home-Position bewegen und den
Teach-Vorgang neu starten. Indem sich die Expertinnen und Experten von Anton
Paar für die Offline-Programmier- und Simulationssoftware Pathfinder entschieden
haben, gewinnen sie nicht nur wertvolle Zeit für Schweißarbeiten, sondern erkennen
Fehlerquellen bereits im Vorfeld.
Maßgeschneidert für Anton Paar
Workflow
1:
Die Bauteile werden auf dem Dreh-Kipp-Positionierer geschweißt. Dabei wird eine
mit Bauteilen bestückte Palette aus dem Palettenregal entnommen und auf einem Palettenablagetisch
zwischengelagert. Im weiteren Verlauf rüstet der Handling-Roboter einen passenden
Greifer für die Bauteilaufnahme, wobei sechs verschiedene in einem sogenannten
Greiferbahnhof stationiert sind. Damit ausgestattet, nimmt der Handling-Roboter
die Bauteile auf und fixiert sie in einer bauteilspezifischen Spannvorrichtung,
die bereits auf dem Dreh-Kipp-Tisch aufgerüstet ist. Es wird immer ein Bauteil
nach dem anderen entnommen, gefügt und wieder auf die Palette zurückgelegt.
Workflow 2:
Die Bauteile werden unmittelbar auf den Paletten geschweißt, wobei der Handling‑Roboter die Paletten aus dem Palettenregal transportiert und vor dem Schweißroboter positioniert. Beim Schweißen können dann Handling- und Schweißroboter gemeinsam koordinierte Bewegungen ausführen und deshalb nicht nur einfache, sondern auch komplexe Nahtgeometrien schweißen.
Workflow 3:
Die Bauteile werden einzeln entnommen, vom Handling-Roboter in Position gebracht und bewegen sich beim Schweißen synchron mit dem Schweißroboter (Coordinated Motion).
Damit die Anlage weiß, was zu tun ist
Zunächst werden Paletten und Bauteile gemeinsam in der Systemsteuerung HMI-T21 RS angelegt. Diese erhält von der zuständigen Schweißfachkraft vier wichtige Infos: (1) den Paletten-Typ, (2) die Art, (3) die Anzahl und (4) die Position der Bauteile auf der Palette – zum Beispiel, wie viele Hauptträger oder Schwingergehäuse sich an welcher Stelle auf welcher Palette befinden.


Die
Robotersteuerung beinhaltet für jeden Workflow-Typ ein hierarchisch übergeordnetes
Roboterprogramm. Darin werden die mit Pathfinder erstellten Schweißprogramme
abgelegt. Wird an der HMI eine Palette für Workflow 2 (Bauteile werden
unmittelbar auf der Palette geschweißt) angelegt, filtert sie die entsprechenden
Roboterschweißprogramme und die Schweißfachkraft von Anton Paar kann bequem
zwischen all jenen, die für Workflow 2 verfügbar sind, wählen und der
Palette das benötigte Schweißprogramm zuordnen. Außerdem besteht die
Möglichkeit, nicht nur ein einzelnes Schweißprogramm einzusetzen, sondern eine
ganze Arbeitskette zu erstellen. Es ist zum Beispiel möglich, für eine Palette
zuerst ein WIG-Programm anzulegen, dem in der aktuellen Kette ein MAG-Programm
(z. B. CMT) folgt. In diesem Fall würde die Roboterschweißanlage beide
Programme nacheinander abarbeiten und dabei den Schweißprozess automatisch
wechseln. Darüber hinaus können die Expertinnen und Experten von Anton Paar
bestimmte Sonderschritte in den HMI‑Ablauf einfügen. Das System kennt beispielsweise
den Sonderschritt „Bauteil wenden“, der zwischen den beiden Schweißverfahren
(WIG und CMT) bei Bedarf eingesetzt werden kann.
Wird
für das Paletten-Handling, wie in Workflow 1 beschrieben, ein bestimmter
Greifer benötigt, müssen ihn Anlagenbedienerin oder Anlagenbediener im System
auswählen. Insgesamt stehen – wie bereits erwähnt – sechs verschiedene
Greifer zur Verfügung, die allesamt in einem Greiferbahnhof stationiert sind.
Greif- und Ablagepositionen teachen
Die
klassische Handling-Abfolge selbst – Palette abholen, für das
Schweißen in Position bringen, rücktransportieren und ablegen – ist ein
Standardprogramm und erfordert kein Eingreifen vom Operator. Im Fachjargon
spricht man von einer „gekapselten“ Funktion. Lediglich die Greifpositionen
müssen angegeben werden.
Wird
ein neues Bauteil „eingefahren“ und von einer der Ablage- oder
Aufnahmestationen nicht erkannt, pausiert an dieser Stelle der Automatiklauf.
Die Schweißfachkraft wird aufgerufen, mit der Robotersteuerung – dem
Fanuc iPendant – einen Teach-Vorgang zu starten, und erhält dafür
eine Schritt-für-Schritt-Anleitung von der Anlagensoftware. Auf diese Weise
„lernt“ das System die benötigte Greif-/Ablageposition für die betroffene
Station (z. B. für die Zwischenablage). Sie wird in einem Register
gespeichert und steht dem Handling-Ablauf ab sofort zur Verfügung. Anschließend
kann der Automatiklauf bis zur nächsten Station fortgesetzt werden. Ist das
Bauteil dort ebenfalls unbekannt, muss auch diese Position geteacht werden. Hat
man alle Stationen nach dem soeben beschriebenen Schema durchgearbeitet, transportiert
der Handling-Roboter alle weiteren gleichen Bauteile vollautomatisch durch die
Anlage – ohne Unterbrechung.
Sollten
für eine Palette sieben Bauteile vorgesehen sein, sich aber nur drei Bauteile
darauf befinden, stellt das für die Anlage kein Problem dar. Sie erkennt einen „Leergriff“
und fährt automatisch zur nächsten Bauteilposition.
Custom-made: die Teach-Palette
Zusätzlich
zur standardgemäßen Offset-Belegung, die einfache Bauteilformen bevorzugt, setzte
sich Anton Paar zum Ziel, bis zu 30 Metallkomponenten an beliebigen
Palettenplätzen ablegen zu können. Fronius löste diesen Wunsch mit der Funktion
„Teach-Palette“. Wird sie ausgewählt, kann die Position jedes Bauteils auf der
Palette separat geteacht werden.
„Diese
beiden Varianten – Offset- und Teach-Palette – bieten uns
ein Maximum an Flexibilität bei der Bauteilbestückung“, erörtert Dr. Ingo
Riemenschneider, Department Manager Production Automation. „Nicht immer ist
es sinnvoll, dass wir Bauteilpositionen über Offset-Abstände definieren. Es
gibt Bauteile, die wir wegen ihrer komplexen Formen in verschiedenen
Orientierungen fixieren müssen.“
Präzise wie am ersten Tag – auch nach Monaten
Wollen
die Schweißfachkräfte einen Schweißvorgang starten, scannen sie die
Artikelnummer mit ihrem Handscanner vom Bauteildatenblatt.
„Erkennt
die Anlage die Artikelnummer und somit das Bauteil, weiß sie über Handling und
Schweißprozess Bescheid und startet den Betrieb. Gesteuert wird alles über die
HMI-T21 RS. Welcher Greifer und welche Vorrichtung benötigt werden, ist für
jedes der Bauteile hinterlegt“, führt Riemenschneider aus. „Das Gleiche
gilt für die Argon-Spüldauer während des Formierens und die Nahtlaufzeit. Ebenso
weiß das System, ob und welche Daten für die Prozessdatenerfassung benötigt
werden.“
Monate
später ist die Roboterschweißzelle noch genauso präzise wie am ersten Tag: Die
Schweißnaht sitzt perfekt an der gleichen Stelle. Auch deshalb, weil man bei
Anton Paar die Bauteile µm-genau
fertigt und vorbildlich anarbeitet.
Mehrfaches Wenden von Bauteilen möglich – auch beim Formieren
Der
Dreh-Kipp-Positionierer besitzt eine Mediendurchführung für vier Durchströmleitungen,
zwei für Luft und zwei für Argon, und kann bis zu 32 Input-Output-Signale (IOs)
übergeben. Diese ist aus Kunststoff und wurde von Anton Paar im 3-D-Druck
produziert. Muss formiert werden, holt sich der Handling‑Roboter zuerst die
dafür benötigte Spannvorrichtung aus dem Palettenregal und spannt diese mit der
Hilfe eines speziellen Spannsystems auf dem Manipulator auf. Ab sofort sind
sowohl die Luftleitungen für die Pneumatik-Zylinder als auch die Gasleitungen
für das Spülen mit Argon angeschlossen. Auch die elektrischen Signale werden
jetzt von der Spannvorrichtung weitergegeben. In der Folge positioniert der
Handling-Roboter die Bauteile und die Anlage löst das Signal zum Spannen aus.
Jetzt kann formiert und anschließend geschweißt werden. Das System ist so
ausgelegt, dass ein mehrfaches Wenden der Bauteile auf einer einzigen Spannvorrichtung
möglich ist.
„Es
ist uns wichtig, dass sämtliche Prozesse und Eigenschaften, die in der Anlage
umgesetzt wurden, bezüglich ihrer Wiederholbarkeit offen sind. Ob ein
Wendeprozess einmal oder hundertmal durchgeführt wird, muss vom System her egal
sein. Da sich die Komplexität der Bauteile immer wieder ändert, haben wir
gemeinsam mit den Expertinnen und Experten von Fronius sehr viel Energie
verwendet, um die Abläufe so uneingeschränkt wie möglich zu gestalten“, betont Riemenschneider.
Restsauerstoffmessung made by Anton Paar

Schweißtechnisch auf höchstem Niveau
Besonders wichtig war es den Schweißspezialistinnen und -spezialisten von Anton Paar, zwei Schweißverfahren pro Bauteil kombinieren zu können – zum Beispiel WIG zum Schweißen der Wurzel und MAG zum Schweißen der Decklage. Die endgültige Wahl des Schweißverfahrens hängt jedoch von den schweißtechnischen Berechnungen und der benötigten Widerstandsfähigkeit der einzelnen Komponenten ab.
„Ob Sonderprozesse wie CMT (Cold Metal Transfer), PMC (Pulse Multi Control) oder LSC (Low Spatter Control) zum Einsatz kommen, kristallisiert sich bei unseren Schweißversuchen heraus. Für welchen Prozess wir uns dann entscheiden, hängt von der Wandstärke des Bauteils, von der Art der Schweißnaht, zum Beispiel i- oder Kehlnaht, und den geforderten Einschweißtiefen und Schliffbildern ab“, führt Moik aus. „Wir benötigen ungefähr sechs bis sieben Versuche, bis wir in Serie gehen. Würde der Wärmeeintrag aufgrund der Materialbeschaffenheit zu groß ausfallen, bietet sich natürlich der ‚kalte‘ Schweißprozess CMT an. Wollen wir die Produktivität steigern, indem wir die Schweißgeschwindigkeit erhöhen, ziehen wir PMC in Erwägung. Soll besonders spritzerarm geschweißt werden, ist LSC ein Thema. Vor allem deshalb, weil wir dadurch kostspielige Nacharbeit vermeiden.“
Unsere innovativen Schweißprozesse, das gleichzeitig intelligente wie flexible Anlagenkonzept und das nachhaltige Weiterentwicklungspotenzial der Roboterschweißanlage sichern der Anton Paar GmbH auf Jahre hinaus perfekte Schweißnähte für ihre empfindlichen und hochpräzisen Messinstrumente. Gleichzeitig profitieren die Schweißerinnen und Schweißer vom Gewinn an Sicherheit und Gesundheitsschutz, indem sie durch Einhausung und Absaugung vom Lichtbogen und seinen Emissionen abgeschirmt werden.
