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28.07.2025
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Die unsichtbare Gefahr beim Schweißen

Beim Gedanken ans Handschweißen entstehen oft Bilder von gleißenden Lichtbögen, fliegenden Funken und aufsteigendem Rauch. Eindrucksvolle Szenen wie diese prägen das Image des Schweißens – oft als gefährlich und rau wahrgenommen. Doch dieses Bild greift zu kurz: Tatsächlich lassen sich sichtbare Risiken wie Lichtbogenstrahlung, heiße Metallspritzer oder Schweißrauch mit moderner Schutzausrüstung und klaren Sicherheitsstandards sehr gut beherrschen. Professionelle Schweißer/-innen sind bestens ausgerüstet – mit Helmen, Handschuhen und Schutzkleidung, die sie zuverlässig vor äußeren Einflüssen schützen. Was jedoch häufig unterschätzt wird, ist die unsichtbare Gefahr: der elektrische Strom.
Gefahren durch Strom

Bereits ein kurzer Moment der Unachtsamkeit kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen: Ein unerwarteter Zuruf – ein reflexartiges Umdrehen und die ungeschützte Hand greift zur Stabelektrode. Folge: Der Körper wird Teil des Stromkreises. Isolierende Arbeitsschuhe oder eine Schweißmatte aus Nitrilgummi unterbrechen in solchen Fällen den Stromfluss und schützen zuverlässig.

Elektrischer Strom nimmt im Körper stets den kürzesten Weg zwischen Eintritts- und Austrittsstelle. Verläuft dieser beispielsweise über beide Hände, durchquert der Strom nicht nur Arme und Oberkörper, sondern auch lebenswichtige Organe wie das Herz – mit potenziell tödlichen Folgen.

Vorsicht vor der Leerlauf-Spannung

Während bei handelsüblichen Elektrogeräten die unter Spannung stehenden Teile gegen Berührung geschützt sind, besteht beim Lichtbogen-Schweißen ein erhöhtes Risiko: Die Leerlauf-Spannung kann zur gefährlichen Berührungsspannung werden – insbesondere dann, wenn gleichzeitig das Werkstück (Masse) und die Elektrode oder unisolierte Teile des Elektrodenhalters berührt werden. In einem solchen Fall spricht man von einer „Durchströmung“ des menschlichen Körpers.

Für die Leerlauf-Spannung gelten – je nach Einsatzbedingungen – festgelegte Höchstgrenzen. Eine elektrische Gefährdung für den Menschen beginnt bereits bei Spannungen über 25 Volt Wechselspannung (Effektivwert) oder 60 Volt Gleichspannung, sofern gleichzeitig ein ausreichend hoher Stromfluss möglich ist.

Selbst geringe Stromstärken sind lebensgefährlich

Wenn elektrischer Strom den menschlichen Körper durchfließt, wirkt er reizend auf Muskeln, Nerven und das Herz-Kreislauf-System. Mögliche Folgen reichen von Muskelverkrampfungen und Atemstillstand bis hin zu sogenannten Strommarken – kleinen, punktförmigen Verbrennungen an den Ein- und Austrittsstellen des Stroms. Bereits ab einer Stromstärke von 30 Milliampere besteht akute Lebensgefahr. Die „Loslassgrenze“ liegt bei Wechselstrom zwischen 10 und 15 mA, bei Gleichstrom etwa bei 50 mA. Wird diese Schwelle überschritten, können die Muskelkrämpfe so stark ausfallen, dass betroffene Personen nicht mehr in der Lage sind, stromführende Teile ohne fremde Hilfe loszulassen – ein besonders hohes Risiko für Schweißfachkräfte im Arbeitsalltag.

Wechselstrom gilt als deutlich gefährlicher als Gleichstrom, da er den Herzrhythmus beeinträchtigen und Herzkammerflimmern auslösen kann. Oft unterschätzt wird zudem, dass bereits geringe Stromstärken zwischen 1 und 10 mA ausreichen, um unwillkürliche Reflexbewegungen hervorzurufen, die oftmals Sekundärunfälle nach sich ziehen. Beispielsweise könnten solche unkontrollierten Reaktionen zum Sturz von der Leiter oder zu anderweitigen Verletzungen führen.

Neben der Stromstärke spielt auch die Dauer der Einwirkung auf den menschlichen Körper eine entscheidende Rolle für das Verletzungsrisiko. Je länger der Stromfluss anhält, desto gravierender sind die gesundheitlichen Folgen. Aus diesem Grund ist es für Schweißfachkräfte unerlässlich, stets geeignete Schutzausrüstung zu tragen. In Europa müssen Schweißhandschuhe den Anforderungen der Norm EN 12477 entsprechen, während Arbeitsschuhe die Schutzklasse S3 gemäß EN ISO 20345 erfüllen sollten.

Wie ermittelt man die Gefahr?

Die Stromstärke (I) ist von der angelegten Spannung (U) und dem Widerstand (R) abhängig und folgt dem ohmschen Gesetz (U = R x I). Will man die Stromstärke ermitteln, kann ein Körperwiderstand (ohne Schutzausrüstung) von Hand zu Hand oder Hand zu Fuß von 1.000 Ohm angenommen werden. Besitzt das Schweißgerät laut Typenschild eine Leerlauf-Spannung von 50 V, kann gemäß dem ohmschen Gesetz (I = U / R) ein lebensgefährlicher Strom von 50 mA durch den Körper fließen.

Vorsicht beim Schweißen mit mehreren Schweißgeräten

Arbeiten Schweißfachkräfte gleichzeitig mit mehreren Schweißgeräten an einem Werkstück oder an leitend verbundenen Bauteilen, kann die entstehende Berührungsspannung – insbesondere die Leerlauf-Spannung – unzulässig hohe Werte erreichen. Dieser gefährliche Zustand ist oft nicht unmittelbar erkennbar.

Besonders kritisch wird es, wenn gleichzeitig mit unterschiedlicher Polung geschweißt wird: Beim Gleichstromschweißen (DC) summieren sich in diesem Fall die Leerlauf-Spannungen der beteiligten Schweißgeräte, was zu gefährlich hohen Spannungswerten führen kann.

„Gerade auf Baustellen ist das keine Seltenheit“, berichtet Franz Bichler, Schweißtrainer bei Fronius International. „Früher haben wir oft meterlange Bauteile zu zweit oder zu dritt verschweißt – bei komplexen Komponenten auch mit unterschiedlicher Polung, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Wenn in solchen Situationen die Erdung fehlerhaft ist, kann die summierte Spannung durch den Körper der Schweißfachkraft fließen – mit lebensbedrohlichen Folgen wie Stromschlägen, Herzrhythmusstörungen oder schweren Verbrennungen.“

Beim Schweißen mit Wechselstrom (AC) beeinflussen sowohl die Polung der Stromkreise als auch der netzseitige Anschluss der Geräte die daraus resultierende Leerlauf-Spannung. Unter ungünstigen Bedingungen kann die Berührungsspannung bis zur Summe aller Leerlauf-Spannungen der eingesetzten Geräte ansteigen. Daher ist es unerlässlich, vor Beginn der Arbeiten die Spannung zwischen den Schweißbrennern bzw. Elektrodenhaltern zu messen. Die Messung erfolgt mit einem Multimeter, wobei beide Messspitzen direkt an die Schweißbrenner (Elektrodenhalter) angesetzt werden.

Skizze 2

Arbeitgeber hat Schutz- und Informationspflicht

Effektive Schutzmaßnahmen können Arbeitsunfälle verhindern. Die Verantwortung für deren Umsetzung liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber. Internationale Normen und Vorschriften – etwa von ISO (International Organization for Standardization), ASME (American Society of Mechanical Engineers), AWS (American Welding Society) und DIN (Deutsches Institut für Normung) – bilden die Grundlage für sichere Arbeitsbedingungen.

Schweißfachkräfte müssen in jedem Fall über die potenziellen Gefahren informiert werden. Der Abstand zwischen den Schweißenden ist so zu wählen, dass ein gleichzeitiger Kontakt mit zwei Brennern oder Elektrodenhaltern ausgeschlossen ist. Ist dies nicht möglich, sind die Arbeitsbereiche durch isolierende Trennwände zu separieren. Zusätzlich muss durch geeignete Messungen sichergestellt werden, dass die Summenspannung den zulässigen Höchstwert der Leerlauf-Spannung nicht überschreitet.

Was ist beim Schweißen zu beachten?

Vor Beginn der Arbeiten müssen Schweißfachkräfte sicherstellen, dass sich die eingesetzten Schweißgeräte in einwandfreiem Zustand befinden. Jene, die nicht verwendet werden oder unbeaufsichtigt bleiben, sind auszuschalten und vom Stromnetz zu trennen. Der Betrieb muss stets entsprechend der auf dem Leistungsschild angegebenen Schutzart erfolgen – unter Beachtung der jeweiligen Bedienungsanleitung.

Geräte mit der Schutzart IP21 dürfen ausschließlich in trockenen Innenbereichen eingesetzt werden. Für den Einsatz im Freien ist mindestens die Schutzart IP23 erforderlich. Massekabel sind möglichst nahe am Schweißbereich anzuklemmen – entweder direkt am Werkstück oder an dessen Auflage.

Bei Störungen ist die Spannungsversorgung sofort zu unterbrechen, entweder durch Abschalten oder Ziehen des Netzsteckers. Beschädigungen an Schweißgeräten, Netzleitungen oder Schlauchpaketen sind umgehend der Schweißaufsicht zu melden. Defekte Geräte dürfen keinesfalls weiterverwendet oder eigenmächtig geöffnet werden – insbesondere nicht durch Entfernen der Schutzabdeckung.

Gefahren durch verschleppte Schweißströme

Ein unsachgemäßer Umgang mit Schweißgeräten kann erhebliche Gefahren mit sich bringen. Besonders kritisch sind falsch angeschlossene Massekabel oder unachtsam abgelegte Elektrodenhalter. Solche Fehler können zum Durchbrennen von Schutzleitern, Schweißgeräten oder anderen elektrischen Geräten führen. Da Schutzunterbrechungen äußerlich meist nicht erkennbar sind, stellen sie ein erhebliches Risiko für alle dar, die mit beschädigten Geräten arbeiten.

Die häufigsten Ursachen für Schutzleiterunterbrechungen und daraus resultierende Unfälle sind Leichtsinn und mangelnde Aufmerksamkeit. Typische Beispiele sind unisolierte Elektrodenhalter, die auf dem Schweißgerät abgelegt werden, oder Elektrohandwerkzeuge, die während der Schweißarbeiten auf dem Schweißtisch verbleiben.

Wer jedoch die in den geltenden Normen vorgesehenen Schutzmaßnahmen beachtet, kann sich wirksam gegen verschleppte Schweißströme schützen. Die Rückleitung des Schweißstroms (Masse) sollte direkt am Werkstück oder an dessen Auflage erfolgen – entweder durch Klemmen oder mithilfe magnetischer Haftpole. Andere Teile wie Metallstangen, Ketten oder Kranseile dürfen keinesfalls als Rückleiter verwendet werden.

Müssen Werkstücke ausnahmsweise am Kranhaken hängend geschweißt werden, ist eine sorgfältige Abschirmung erforderlich – etwa durch trockene Textilseile oder einen Isolierwirbel. Kommen während der Schweißarbeiten abgehängte Arbeitskörbe zum Einsatz, sind diese mit geeigneter Isolation zu versehen. Wird gleichzeitig geschweißt und mit Elektrowerkzeugen gearbeitet, dürfen ausschließlich schutzisolierte Geräte verwendet werden.

Arbeiten unter erhöhter elektrischer Spannung

An Arbeitsplätzen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit besteht ein erhöhtes Risiko einer elektrischen Gefährdung. Dies gilt insbesondere dann, wenn Schweißfachkräfte in Zwangshaltungen – etwa kniend – arbeiten müssen und dabei mit elektrisch leitfähigen Teilen in Kontakt kommen. Auch Bereiche, die vollständig oder teilweise von stromleitenden Materialien umgeben sind, bergen Gefahren. Bereits zufällige oder unvermeidbare Berührungen können zu Stromschlägen führen.

Zur vereinfachten Beurteilung, ob eine erhöhte Gefährdung beim Lichtbogen-Schweißen vorliegt, dient ein Pauschalmaß: Beträgt der freie Bewegungsraum zwischen gegenüberliegenden leitfähigen Teilen weniger als zwei Meter – in Länge, Breite, Höhe oder Durchmesser – ist von einer erhöhten elektrischen Gefährdung auszugehen.

Besondere Vorsicht ist an nassen, feuchten oder heißen Arbeitsplätzen geboten. In solchen Umgebungen kann der elektrische Widerstand der Haut, der Schutzkleidung und der verwendeten Hilfsmittel durch Feuchtigkeit oder Schweiß deutlich reduziert sein. Als „nass“ gelten Arbeitsplätze, an denen die Kleidung durchfeuchtet ist und dadurch leitfähig wird – was das Risiko eines Stromunfalls erheblich erhöht.

Schutzmaßnahmen bei erhöhter elektrischer Gefährdung

Bei Arbeiten unter erhöhter elektrischer Gefährdung dürfen ausschließlich dafür zugelassene Schweißgeräte verwendet werden, die mit dem Symbol [S] gekennzeichnet sind. Zusätzlich sind besondere Schutzmaßnahmen erforderlich: Schweißfachkräfte müssen durch isolierende Unterlagen oder Zwischenlagen vor elektrisch leitfähigen Teilen sowie feuchten Böden und Wänden geschützt werden.

Ist eine solche Abschirmung aufgrund zusätzlicher Gefahren – etwa Absturzrisiken – oder beengter räumlicher Verhältnisse nicht möglich, darf nur in trockener, unbeschädigter Arbeitskleidung gearbeitet werden. In Situationen, in denen dauerhaft trockene Kleidung nicht gewährleistet werden kann, wie etwa in heißen Umgebungen, ist beim Lichtbogen-Handschweißen ausschließlich der Einsatz von Gleichstromgeräten zulässig.

Die Leerlauf-Spannung der eingesetzten Geräte sollte – abhängig von den Schweißaufgaben und den Geräteeigenschaften – so niedrig wie möglich gehalten werden und darf 75 Volt nicht überschreiten. Schweißgeräte dürfen nicht im unmittelbaren Gefahrenbereich aufgestellt werden. Für die Fernsteuerung dieser Geräte ist Schutzkleinspannung zu verwenden.

Zudem ist sicherzustellen, dass Schweißer/-innen bei solchen Arbeiten nicht allein tätig sind – eine geeignete Schweißaufsicht ist verpflichtend. Das Schweißen unter erhöhter elektrischer Gefährdung ist ausschließlich qualifizierten Fachkräften vorbehalten.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Sicherheit hat beim Schweißen oberste Priorität. Ein unsachgemäßer Umgang mit Schweißgeräten kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen – insbesondere durch hohe Leerlauf-Spannungen, verschleppte Schweißströme oder bei Arbeiten unter erhöhter elektrischer Gefährdung. Solche Risiken lassen sich jedoch durch konsequente Einhaltung geeigneter Schutzmaßnahmen deutlich reduzieren.

Besondere Aufmerksamkeit ist an nassen, feuchten oder heißen Arbeitsplätzen erforderlich, da dort die Schutzwirkung von Kleidung und Ausrüstung beeinträchtigt sein kann. Treten Störungen auf, sind unverzüglich geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Personen- und Sachschäden zu vermeiden.

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